Aus dem Leben einer Erlebnispädagogin

Folge 5: Seil-Geburtstag

 

Sechs Mädchen und drei Jungs im Alter von +/- 11 Jahren treffen sich mit mir plus Mama um Geburtstag zu feiern.

 

Zunächst schließen wir uns mit einem Seilkarussell den Erlebnisraum auf, in dem wir uns den Rest des Nachmittages aufhalten. Das kommt ganz gut an. Dann geht es etwas tiefer in den Wald.

 

 

Ich habe ein ganz einfaches Spinnennetz aufgebaut: Ein Seil oben, eines unten, dazwischen verschieden große „Durchgänge“. Ich erkläre, dass dieses Netz das Tor in den Wald ist, und das am Rand „Husch-Husch“, die Waldfee wohnt und darauf aufpasst, dass

 

  • erstens den Kindern nichts passiert,
  • zweitens den Wald nichts passiert und
  • drittens die Regeln eingehalten werden.

 

Schon bei der Erläuterung der Spielregeln, fällt es zwei der Jungs extrem schwer, überhaupt soweit still zu halten, dass sie alle Regeln mitbekommen. Schließlich haben wir das aber geschafft, und die ersten beiden Jungs steigen durch die ersten beiden Löcher. Es folgt ein Mädchen. Absprache bis dahin: keine. So langsam merken sie, dass sie mit dieser Taktik nicht weiterkommen werden. Erste zögerliche Überlegungen beginnen, von einer echten Kooperation sind aber alle noch weit entfernt.

 

 

Nachdem die Gruppe festgestellt hat, dass es eine ganz sinnvolle Methode ist, sich gegenseitig durch die Löcher durch zu heben, gibt es erste Absprachen. Die einen heben die Mitspielenden durch, die anderen schauen oberflächlich, ob jemand das Netz berührt.

 

 

Sie sind sehr schnell und nicht besonders vorsichtig. Und sie nehmen es auch vollkommen unbeeindruckt zur Kenntnis, wenn Sie das Netz doch berührt haben und noch mal auf die andere Seite zurück müssen Da in unterscheiden sie sich meiner Erfahrung nach deutlich von Erwachsenen oder Jugendlichen, die mit dem Spinnennetz konfrontiert sind. Meiner Erfahrung nach wird da erst mal lange diskutiert, und wenn man sich dann geeinigt hat, wer durch welches Loch gehoben wird, sind alle super vorsichtig und brauchen entsprechend viel Zeit. Bei den Jugendlichen und Erwachsenen scheint viel mehr Angst davor zu herrschen, zu „versagen“.

 

 

Schließlich haben alle das Spinnennetz passiert, und ich erkläre, dass ihnen ab jetzt verschiedene Seite zum Spielen und Bauen zur Verfügung stehen, sofern sie sich an die Seil-Regeln halten. Meine oberste Seil-Regel ist, dass niemals ein Seil um den Hals gelegt wird. Außerdem dass niemand Knoten öffnet, die er nicht selbst geknüpft hat, dass ich Knoten überprüfe, bevor an den entsprechenden Seilen geklettert wird, etc.

 

Bei den Seilen angekommen herrscht erst mal große Ratlosigkeit. „Und was sollen wir jetzt damit machen?“ Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Die Hort-Kinder fangen einfach wild anfangen zu bauen, teilweise zunächst ohne einen erkennbaren Sinn. Einfach aus Freude am Ausprobieren. Dafür waren die Kinder dieser Gruppe offenbar schon zu alt. Sie hatten klare Anweisungen erwartet, was sie tun sollen. Und die habe ich nicht gegeben. Ich wollte ihnen die Möglichkeit geben, selbst etwas zu schaffen.

 

 

Zwei Jungs kommen auf die Idee, Marterpfahl zu spielen. Einer wird gefesselt (freiwillig) und hat kurz darauf ein Seil um den Hals! Natürlich nur „im Spaß“ und ganz locker. Trotzdem: Kleine aber sehr deutliche Ansage meinerseits: Das Seil kommt zu mir und beide Jungs überlegen sich, was sie da gemacht haben, bevor sie wieder ein Seil in die Hand bekommen. Natürlich sage ich auch kurz, warum ich da so streng bin und es überhaupt keinen Verhandlungsspielraum gibt, Spaß und Freiwilligkeit hin oder her.

 

 

Nachdem noch etwas Zeit vergangen ist, fangen die Jungs an, Seile so über den Baum zu werfen, dass sie daran hochklettern können. Die Mädchen versuchen das auch, wählen dafür aber einen Baum, über den keiner – auch kein Erwachsener – das Seil werfen kann und sind dann ratlos, was sie sonst machen können.

 

 

Ich bringe schließlich(nach ca. 15 Minuten) einige Vorschläge ins Spiel: Hängematte, Schaukel, Baumtreppe. Die Ideen werden aufgegriffen, aber nicht besonders intensiv verfolgt. Im Endeffekt nutzen die Mädchen die Klettergelegenheiten, die die Jungs gebaut haben. Zusätzlich besteht noch die Möglichkeit, auf einer Slackline zu balancieren. Entweder gestützt von der Mutter des Geburtstagskindes und mir oder am Klettergurt gehalten von vier Gästen. Das kommt bei allen super an.

 

Jetzt sind auch alle soweit angekommen, dass ich mit den Eltern beschließe, noch 30 min dranzuhängen, um das Geschehen nicht „abzuwürgen“. Dann passt es: Alle haben etwas für sich gefunden, konnten es testen und es ist Zeit für einen Break. Wir schließen den Erlebnisraum wieder zu und dann gibt es für die Geburtstagsgesellschaft was zu essen und ich baue ab.

 

 

Mein Fazit aus diesem Nachmittag: Ältere Kinder brauchen offensichtlich mehr Vorgaben / Vorschläge als jüngere oder so viel Zeit, dass aus der Langeweile darüber, dass sie nicht wissen, was sie machen sollen, eigene Ideen entstehen. Diese Langeweile muss man dann aber aushalten können.